6 + 1: Oh, what a night…
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6 + 1: Oh, what a night…

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Eigentlich ist ein Kurzbericht dieser Nacht nicht wirklich würdig. Aber vielleicht kann man die Spannung trotzdem ein Wenig nachvollziehen. Mögen die Mandantenanrufe warten – Ich schwelge in Erinnerungen!

Unsereiner saß dieser Tage samstags abends an einem gut einsehbaren Roggenacker. Und was kam? Nüschte, aber mal gar nüschte! Ich war noch fix und alle von der Doppelschlagsnacht zwei Tage zuvor sowie einer Hochzeit und dämmerte so vor mich hin, als ein dunkles „Rumms“ mich aus gewissen Träumen riss: mein Vater hatte offensichtlich Besuch gehabt.

Er hatte Schweiß am Anschuss, wir beschlossen, jeder noch an einem Acker zu schauen und dann nachzusuchen. Ich also runter und ein paar Meter gewandert, Ziel war ein recht schmaler Roggen, der an einen Raps und den Wald stößt. Er hatte über die Jahre schon viel Erlebnisse geboten. Schon das erste Lauschen brachte Kontakt. Von weitem zeigte das für besseres Ansprechen ungemein hilfreiche Zeiss-Nachtsichtgerät den Rücken einer größeren Sau, sicher eine Bache. Der Wind war perfekt gradlinig, der Plan schnell gemacht: aussen rum durch einen benachbarten Zwiebelacker, Angriff vom Wald her. Am Ende der Zwiebeln zwang mich die Uffreschung erst mal in die Hocke – Hakle feucht Kamille is nix gegen Natur feucht Zwiebel, lasst Euch das gesagt sein.
Es wurde ernst, die hundertfach gewohnte Vorbereitung: Schuhe aus, Hose aus, Taschenlampe linker Socken, Handy rechter Socken und ab dafür, Attacke! Für einen Roggen war der Acker leicht zu bepirschen, vieles lag bereits flach. Nach ein paar Metern erreichte ich die von meinem Vater aufgestellte Eisenleiter, leider ein sehr lautes Werkstück. Meine Kontrahenten waren ein paar Meter entfernt, ich konnte mich hochquälen – nur um festzustellen, dass die Leiter für Rechtsschützen sehr schlecht gedreht und direkt neben mehreren, vollauf die Sicht nehmenden Ästen aufgestellt worden war. Na hervorragend, wieder runterhangeln und Frontalangriff also. So etwas ist ohnehin spannender.

Auf rund 40 m sah ich durch das NSG deutlich drei Sauen stehen, allerdings ebenso deutlich höchstwahrscheinlich eben auch drei Bachen. Wo groß ist, da ist jedoch meist auch klein, näher hin also, aber die Rotte verschwand schmatzend im hohen Roggen. Fast Eine Stunde folgte ich ihnen auf und ab im Acker, war teilweise auf unter 5 m dran, immer ohne passenden Anblick. Plötzlich zog direkt vor mir ein schwarzer Klumpen auf die Fläche – NSG sagte eindeutig Bache, aber es folgten schöne, große Frischlinge. Im Schuss ein kurzes Klagen, dann brach alles rauschend in den nahen Raps.

Ich brach einen Ast, warf ihn auf den Anschuss und rannte wie ein Irrer gen Wald, um der Rotte in altbewährter Manier den Weg abzuschneiden – die kam aber nicht an. Lautstark zog man stattdessen im Raps umher.

Na gut, neuer Versuch… Wieder das Auf- und Abbegleitespielchen, wieder zogen sie irgendwann auf eine Freifläche. Wieder erst nur ein Grenzfall frei – dann scherte ein Frischling aus. Wieder brach nach dem Schuß alles in den Raps, wieder rannte ich zum Wald hoch, wieder kam niemand an. Es wurde langsam etwas heller, dann noch heller, dann noch heller – na gut, dann eben der Berg zum Prophet!

Ich sondierte die Fahrspuren im Raps. Um diese Jahreszeit ist er eigentlich unbepirschbar, aber der hier ging vielleicht. Ich tauchte ein, machte in den lautesten Phasen der Rotte schnelle Meter und ging dann über in den Zeitlupenmodus, mit pitschnasser Unnerhos – ich pirsche im Feld je immer ohne Hose und Schuhe- und schlammverdreckten Socken.

Jetzt galt es. Nah, ganz nah, ich konnte sie riechen, atmen hören, alle Halme wackeln sehen… Zeit für Tauch- station, ab auf die Knie. Immer wieder kreuzte eine die Fahrspur, war kurz zu sehen, spitz, weg, schräg, zwei hintereinander – da! Ein großer Frischling auf 1,5 m, schön breit zeigte er seine Nackenpartie.

Das alte Spiel: Die Rotte brach weg, ich rannte zum Wald, keiner kam an. Verfluchte Axt, wollten die mich nur fit halten? Selbst schuld, dachte ich, was einmal klappt… Wieder tauchte ich ein. Dieses Mal taten sie mir den Gefallen, direkt am Rand immer mal wieder ins hohe Gras zu tauchen, in dem ich jetzt recht schnell vorwärts springen konnte. Ein paar Größere ragten wie schwimmende Haie aus dem flachen Rand, aber waren das vielleicht Bachen? Einmal krabbelte eine auf unter einem Meter vorbei, aber ich verpasste den besten Schußzeitpunkt – Adrenalin pur, ich zitterte regelrecht. Mist! Die Rotte zog wie- der Richtung Ackermitte, versaut hatte ich es! Mitten ins Ärgern brummte anschlußsuchend ein nachzüglerischer Frischling direkt an mir vorbei… Ok, geschenkt…

Ich hatte vier Stück liegen und mein Handy am Knöchel schon 25 mal vibriert, Daddy wollte nachsuchen. Sollte die Rotte ziehen, sie hatte genug Blutzoll gezahlt. Routiniert zog mein Dackel „Filou“ am Anschuss an, schon nach ein paar Metern hatten wir den Frischling meines Vaters. Sehr gut, denn ich bin ja bekanntlich bekloppt und hatte im Revier eines Freundes noch eine Rechnung offen, eine komplizierte Pirsch in einem wunderbaren Steinbruch.

Dort angekommen kämpfte ich mich den steilen Hang hoch, überall Fährten ohne Ende. Zum ersten Mal in meinem völlig umtechnischem Leben orientierte ich mich über Satellitenbilder auf dem Handy, unfassbar. In einem Aufschüttungsgebiet rannte ich direkt in drei ruhende Rehe und klappte zusammen wie mit einem Herzinfarkt. Vorsichtig über die Kuppe schielend schaute ich direkt in die völlig verdutzten Lichter einer Gaiß – hier hatten die mit niemandem gerechnet, hier war noch nie jemand. Der Bock neben dran war sehr alt, hatte lange, fast nur noch spießige, enge Stangen und einen Wahnsinnsträger – passt!

Ich fummelte die 1780 in den Anschlag, als der alte Herr sich seines mißtrauischen Weibes wegen aufbemühte – Rumms! Statt des greifbar nahen Bockes flog alles voller Erde um mich herum – ich Idiot hatte das höher sitzende Glas vergessen und direkt vor mir in den Sandhügel geschossen! Depp!
Na toll. Frustriert suchte ich die Dickungsteile des Steinbruches auf – und hörte Sauen! Aber wo?
Vorsichtig schlidderte ich die glitschigen Steilhänge runter, hörte kaum was und sah gar nix. Wo zum Teufel…? Ah, draußen, der angrenzende Raps!

Ich schlich und krabbelte wie ein Indianer, aber ohne Geräusch hätte das nicht mal Winnetou höchstpersönlich geschafft. Leicht misstrauisch zog sich die Rotte weiter in den Acker, ich rannte so schnell es ging auf einen rund 15 m hohen Abraumhügel und balancierte auf dessen nachrutschender Spitze. Das ging fast. Auf rund 70 m gab es zwei winzige Lücken, vielleicht war man ja so nett…? Gut, dass Madame Zeiss 12-fach war!

Plötzlich Läufe hinter der Lücke, die Rotte zog direkt daran vorbei! Keine echte Chance, verflucht! Dann ein Frisch- lingshaupt, für eine Millisekunde – weg! Ein brauner kleiner Körper, wo war vorne? Weg! Wieder nur Läufe – weg! Eine kurze, braune Rückenlinie – weg!

Wieder ein Körper, aber ich konnte die Wuchsrichtung der Borsten erkennen -heller Kugelschlag, lautes Klagen. Riesendurcheinander im Raps… Abwarten. Tatsächlich, kurz darauf wieder ein Frischlingshaupt, wieder heller Kugelschlag – und ein hohles Klacken: ich hatte auf dem Weg nach hier bei uns noch etwas für das Niederwild getan und keinen einzigen Schuß mehr! Und das Klagen konnte ja auch eine Nachsuche sein! Jetzt musste das Ausschlafen der Pächter eben leiden. Freund Tim kam etwa eine Stunde später. Vor lauter Aufregung hatte ich schon ungefähr 8x mit meiner Erzählung angesetzt und mich verhaspelt, als wir auf rund 100 m im Getreide zwei Häupter entdeckten -ausgerechnet genau der heute morgen gefehlte Bock und seine Angetraute, gab´s denn das? Nur das Haupt schaute raus und das Pärchen hatte Verdacht geschöpft. Eine Chance, nur eine… Tim schüttelte den Kopf, er war sich nicht sicher genug, er nickte mir zu.

Puh… Das war ne Aufgabe. Eigentlich hätte ich das ehrlich gesagt gar nicht probieren dürfen, aber ich muss zugeben, das Fieber ging mit mir durch. Der Platzherr war hier alt geworden sehr alt. Aber heute hatte er sein Glück überreizt. Er hätte nach dem Riesendussel beim Fehlschuß zuvor einfach die Bälle flach halten sollen – aber genau die haben ihn wohl vorwärts getrieben.. Tim schüttelte nur den Kopf und lachte, wie alle anderen später auch. „Der Götzfried is halt bekloppt. Echt!“… Ich kann das hier nur bruchstückhaft wiedergeben, so viele Eindrücke waren das. Kann man es beim Lesen wenigstens ein bisschen miterleben?